Wie man Mitlebewesen nicht behandeln sollte

Ein Plädoyer für die Abkehr von der industriellen Massentierhaltung

Während die Diskussion über die Käfighaltung von Legehennen schon lange und immer noch kontrovers geführt wird, hat die Schweinehaltung leider wesentlich weniger Beachtung gefunden – obwohl sie sich in den meisten Fällen ähnlich katastrophal entwickelt hat. Künstlich beleuchtete und belüftete Großställe mit bis zu 5000 „Insassen“ sind heutzutage keine Seltenheit mehr. Die unkastrierten männlichen Tiere werden von den Muttersauen getrennt gehalten, jeder Quadratzentimeter wird aus Kostengründen ausgelastet – weshalb auch sonst, wenn Gewinnmaximierung zu Lasten unserer Mitlebewesen das einzige Erfolgsziel ist. Es sind in den letzten Jahrzehnten regelrechte – oder besser gesagt regelwidrige – Produktionsstraßen entstanden, durch welche zahllose Tiere grausame Effizienz, kalte Rationalität und gnadenlose Ungerechtigkeit erfahren mussten. Doch dass diesen Tieren ein zumindest einigermaßen normales Leben verwehrt wird ist nur eine negative Seite dieser Entwicklung. Denn mittlerweile haben wir ein Ausmaß der Perversion erreicht, bei der nun auch der bisherige Nutznießer dieser beschämenden Entwicklung in Mitleidenschaft gezogen wird – der Mensch.

Durch die extensive Haltung und die Nichtbeachtung der Lebensnotwendigkeiten der Tiere seitens der Massenbetriebe wurde der regelmäßige Einsatz von starken Medikamenten unvermeidbar – zum Beispiel die im täglich verabreichten Futter vorhandenen Antibiotika. Kupieren von Schwanz und Zähnen, Massentransporte, das isolierte Aufwachsen von Ferkeln, nachhaltig schädigende Spaltenböden, Umweltbelastung durch gewaltige Güllemengen und Krankheiten wie die Maul- und Klauenseuche gehören heute fast schon zum zu den Standards der Schweinemast. Höchste Zuchtleistung schafft empfindliche, kurzlebige Tiere, die meist schon nach sechs Monaten ihr volles Schlachtgewicht erreicht haben. So kommt es auch, dass beim Menschen Antibiotika nicht mehr wirken, wenn sie bei gefährlichen Krankheiten verschrieben werden müssen. Vor nicht allzu langer Zeit war es gang und gäbe die Innereien von Schweinen zu verzehren – sie galten sogar als Delikatesse. Heutzutage wird oft vom Verzehr abgeraten, weil die Schadstoffbelastung in den meisten Fällen sehr hoch ist. Das Zeigt sich nicht zuletzt auch an der zunehmenden Zahl von Menschen, die auf Schweinefleisch allergisch reagieren.

Erfahrungen von Max Scherm und die Entwicklung der Zucht

Bereits mit 14 Jahren lernte ich 1963 einen der damals hochmodernen Schweineställe mit „nur“ 400 Mastplätzen kennen. Er war bestens ausgestattet mit Spaltenboden, Mastboxen und Futterautomaten. Unbedarft war ich damals ebenso überzeugt und unkritisch gegenüber dieser neuen Haltungsform. War diese Art der Haltung doch so viel bequemer, leichter und rationeller. Allerdings brach bei dieser Haltungsform gegenüber dem herkömmlichen Stall der Kontakt zu den Tieren vollends ab. Mit der Zeit traute man sich nicht mehr so recht an die Sauen – sie hätten beißen können. Schwanzstummel und Ohren der Schweine mussten regelmäßig beschmiert werden, weil sich die Tiere gegenseitig blutig gebissen hatten. Und nach der Gülleausbringung stank es im näheren Umkreis noch tagelang – auch ein Zeichen, dass die Tiere nicht vernünftig gehalten und gefüttert wurden. In England sah ich dann Jahre später zum ersten Mal Schweine in Intensivhaltung im Stall als auch auf tiergerechter Weide. Was für ein krasser Unterschied! Und doch konnte auch dieser Bauer leben. Als ich dann die Schwäbisch-Hällischen Schweine als stark gefährdete Rasse kennenlernte, war der Entschluss gefasst, diese Rasse wieder aufzubauen und bekannt zu machen. Und ich habe mir vorgenommen zu beweisen, dass auch diese Haltungsform rentabel sein kann.

Ich fing an Erfahrungen und Daten zu sammeln und die Vorteile dieser Haltung an Interessierte weiterzugeben und sie zu ermutigen, auch wegen der Tiere diesen oft steinigen Weg zu gehen. Der Neuanfang 1994 hier im Bayerischen Wald war selbstverständlich schwierig. Mit nur einer Zuchtsau und einigen Ferkeln entstand nach und nach ein Bestand von ca. 10 Zuchtsauen als Zuchtbetrieb in Niederbayern für die Schwäbisch-Hällische Schweinerasse. Die meisten Abnehmer sind kleinere Regionalbetriebe, die 2-4 Ferkel pro Jahr für den Eigenbedarf aufstellen. Es gibt allerdings auch größere Abnehmer, die bis zu 40 Ferkel pro Jahr zur Aufzucht brauchen und mit dem Fleisch den Endverbraucher sowie die Gastronomie beliefern. Einzelne Ferkel und Spanferkel werden von mir nicht verkauft. Viele Käufer konnte ich zwar schon zur Weidehaltung anregen, aber manchen Haltern (und insbesondere deren Kindern) fällt es oft schwer, die liebgewonnenen Schweine dann schlachten zu müssen. Für dieses hochwertige Fleisch waren bisher fast alle bereit, den notwendigen und fairen „Mehrpreis“ zu bezahlen. Wir erleben, dass immer mehr Menschen bereit sind, auch Nutztieren ein würdevolles Leben in einer artgerechten Haltung zuzugestehen. Wenn sich nun dieser oft noch theoretische Ansatz nun auch in der Praxis durchsetzt, ist viel gewonnen!